Pragmatische Orientierungshilfe

Agenturmodelle in der Schweiz

Pragmatische Orientierungshilfe

10. Januar 2023 agvs-upsa.ch – Es ist eines der zentralen Themen, die das Autogewerbe in naher Zukunft beschäftigen: das ­Agenturmodell, das viele Hersteller europaweit einzuführen planen. Der AGVS verfolgt das Thema auf verschiedenen Ebenen – zum einen in Form eines Gutachtens, zum anderen am «Tag der ­Schweizer Garagisten» 2023.

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Was passiert beim Autoverkauf in Zukunft, wenn das Agentur­modell eingeführt wird? Der AGVS erarbeitet derzeit ein Gutachten, was das Agenturmodell den Garagisten bringt. Foto: AGVS-Medien
 
«Eine der grösseren Herausforderungen momentan beim Thema Agenturmodell ist die Tatsache, dass wir noch keinen realen Vertrag vorliegen haben», bringt AGVS-Geschäftsleitungsmitglied Markus Aegerter die Situation auf den Punkt. Auch fehlen gerichtliche Urteile, die die kartellrechtlichen Bedingungen mindestens teilweise präzisieren würden. Aus diesem Grund kann man sich laut ­Aegerter nur auf das stützen, was man aus Europa kennt. So wurde das Agenturmodell zum Beispiel in Deutschland und Österreich bereits von Marken wie Mercedes-Benz oder bei Volkswagen (ID-Modelle) eingeführt, bei BMW sowie bei weiteren Volkswagenmarken wie Cupra oder Skoda ist die Einführung in Planung, Ford führt in Holland die Agentur im Sinne eines Testmarktes ein. Die meisten Hersteller planen, das Agenturmodell europaweit einzuführen. 
 
Weil die kartellrechtlichen Bedingungen eines Agentursystems bisher weder in der Schweiz noch in Deutschland systematisch untersucht wurden, hat der AGVS ein Gutachten ausarbeiten lassen; erste Resultate werden für Ende Jahr erwartet. «Es soll unseren Mitgliedern und ihren Händlerverbänden als pragmatische Orientierungshilfe für kommende Verhandlungen mit den Herstellern dienen», sagt ­Markus Aegerter, «denn für sie wird es im Hinblick auf die wichtigen Vertragsverhandlungen zu neuen Agenturverträgen unumgänglich sein, die kartellrechtlichen Bedingungen zu kennen, um ihre Interessen bestmöglich durchsetzen zu können.» Aus Mangel an konkreten Vertragsentwürfe werden im Rahmen dieses Gutachtens deshalb die wesentlichen Befürchtungen und Kritiken, wie sie den Gutachtern zugetragen wurden, untersucht. «Ziel des Gutachtens kann es deshalb nicht sein, abschliessend festzulegen, was Hersteller genau dürfen und was nicht, sondern vielmehr die Grenzen beziehungsweise den Handlungsspielraum aufzuzeigen, in dem die Hersteller sich bewegen dürfen», sagt Markus Aegerter. 
 
Grundsätzlich unterscheidet sich das Agentursystem in ein echtes und in ein unechtes. Entscheidend für den Unterschied ist, wer die wesentlichen geschäftlichen Risiken und Kosten trägt. Ist das der Hersteller respektive Importeur, besteht eine echte Agentur – trägt der Vertriebspartner, also der Garagist, bereits einen wesentlichen Teil des Risikos und Kosten, die mit der Vermittlung der Verträge für den Hersteller zusammenhängen, besteht eine unechte Agentur. 
 
Ein echtes Agentursystem besteht, wenn der Händler keines der folgenden Risiken trägt oder dies nur in unerheblichem Ausmass: 
  • Die Finanzierung von Lagerbeständen und Vorführwagen
  • Der Erwerb des Eigentums an den Vertragsprodukten
  • Lieferkosten
  • Die Haftung für einen Zahlungsausfall des Kunden soweit den Handelsvertreter kein Verschulden trifft
  • Investitionen in Ausrüstung und Räumlichkeiten
  • Werbekosten
  • IT-Investitionen
  • Personalausbildungskosten
«Im Zusammenhang mit dem Agenturmodell stellen sich für den Garagisten als Unternehmer eine ganze Reihe von Fragen», hält Markus Aegerter fest. Zentral sei sicher die Palette an zu erbringenden Dienstleistungen, deren konkrete Definition und natürlich die Höhe deren Vergütung. Ebenso ist zu klären, ob und in welchem Umfang der Agent Einfluss auf den Endkundenpreis hat, zumal der Kaufvertrag zwischen der Importeurin und dem Endkunden zustande kommt. Klar sei jedoch schon jetzt: «Das Agenturmodell wird die unternehmerische Freiheit des Händlers mit einiger Sicherheit tangieren.»
 
Die fünf Kriterien des echten Agenturmodells:
  • Der Agent (Garagist) muss für den Auftraggeber eine definierte Tätigkeit ausführen und erhält dafür eine Kommission. Dabei kann es sich um Auslieferungen, Probefahrten etc. handeln.
  • Der Auftraggeber bleibt bis zum Verkauf an den Kunden Eigentümer der Fahrzeuge. Er bezahlt den Transport, die Lagerkosten und die Aufbereitung. Der Kaufvertrag mit dem Kunden erfolgt im Namen und auf Rechnung des Auftraggebers..
  • Der Auftraggeber tätigt in der Regel alle Investitionen, die mit der Geschäftsbeziehung zum Agenten anfallen. 
  • Bei Beendigung der Geschäftsbeziehung zwischen Auftraggeber und Agent sind Kompensationszahlungen vorgesehen.
  • Der Agent legt seine Geschäftszahlen gegenüber dem Auftraggeber offen.
Das Agenturmodell im Fokus
 
Das Thema Agenturmodell zieht sich als roter Faden durch den nächsten «Tag der Schweizer Garagisten» vom 17. Januar 2023 im Kursaal in Bern. Zum einen legt Bernard Lycke die aktuelle Situation auf europäischer Ebene dar. Lycke ist Generaldirektor der Cecra, der europäischen Vereinigung des Autogewerbes. Dem Thema ist auch ein eigener Programmpunkt gewidmet: Advokat Tobias Treyer führt im Rahmen seines Referats vertieft in die Materie ein. Anschliessend diskutiert Moderator Röbi Koller mit Antje Woltermann, Geschäftsführerin des Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe, mit dem Unternehmer und ESA-Präsidenten Hubert Waeber sowie mit Tobias Treyer.
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