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EU gegen Technologieoffenheit

Das Verbrenner-Aus rückt noch näher

14. Februar 2023 agvs-upsa.ch – Nun ist es definitiv: Die EU sagt adieu zu Benzin und Diesel. Das angekündigte sogenannte Verbrennerverbot wurde nun vom EU-Parlament abgesegnet. Zugleich wurden scharfe Neuregelungen zu LKW-Emissionen verabschiedet, die die Branche entsprechend heftig kritisiert. Offen bleibt weiter, ob es zwecks Technologieoffenheit eine E-Fuel-Ausnahme gibt.

artikel-migros_1.jpgQuelle:  MGB Daniel Winkler

jas/pd. In Europa dürfen Neuwagen mit einem benzin- oder dieselgetriebenen Verbrennungsmotor – also übrigens auch Plug-in-Hybride – nur noch rund zwölf Jahre lang verkauft werden. Das EU-Parlament in Strassburg stimmte den neuen CO2-Vorgaben jetzt mit 340 zu 279 Stimmen zu – 21 Abgeordnete enthielten sich der Stimme. Zwar müssen die EU-Mitgliedsstaaten den Beschluss noch zustimmen, dies gilt aber als Formsache. Damit dürften ab 2035 in Europa nun definitiv nur noch Neuwagen verkauft werden, die keine Treibhausgase ausstossen. Noch offen ist, ob später Ausnahmen für E-Fuel-betriebene Verbrenner kommen: dies will die EU später entscheiden.
 
Der Entschied stiess beim deutschen Verband der Automobilindustrie (VDA) genauso auf heftige Kritik wie bei der Clepa, dem europäischen Verband der Automobilzulieferer. «Der Hochlauf der Elektromobilität zeigt sich mit immer neuen Fahrzeugangeboten. Gleichzeitig bleibt das nun durch das Parlament beschlossene faktische Verbrennerverbot für Personenwagen ab 2035 eine Entscheidung gegen eine technologieoffene und innovationsfreundliche Verbraucher- und Industriepolitik», so VDA-Präsidentin Hildegard Müller. «Der Beschluss ignoriert den immer noch mehr als mangelhaften Auf- und Ausbau der europäischen Ladeinfrastruktur.»

artikel-mueller.jpgVDA-Präsidentin Hildegard Müller. Quelle: VDA

Die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie würden zudem global agieren und weltweit werde der Verbrennungsmotor auch nach 2035 noch gebraucht. «Die unterschiedlichen Technologien werden in unterschiedlichen Regionen ihren Beitrag zu nachhaltiger Mobilität leisten. Essenziell sind in diesem Kontext synthetische Kraftstoffe, um auch den Bestand an Fahrzeugen zu dekarbonisieren: Alleine 280 Millionen Verbrenner in Europa, 1,5 Milliarden weltweit», so Müller weiter. Nur wenn diese Fahrzeuge in Zukunft ebenfalls klimaneutral unterwegs seien, könnten die ambitionierten Ziele der Politik zur Klimaneutralität auch erreicht werden.
 
Nicht nur bezüglich Personenwagen legten sich die EU-Parlamentarier fest, sondern sie definierten auch neue CO2-Emissionsnormen für schwere Nutzfahrzeuge und schlugen äusserst ehrgeizige Zwischenziele für 2030 (45 Prozent CO2-Reduktion) und 2035 (65 Prozent) vor. «Um die Logistik zu dekarbonisieren, braucht die EU erschwingliche, klimaneutrale Lösungen», erklärt der Clepa-Generalsekretär Benjamin Krieger. «Wir begrüssen die Beibehaltung der Technologieoffenheit, aber die Erhöhung der Ziele für 2030 und 2035 sind eine grosse Herausforderung.» Wenn der Übergang zu einem emissionsfreien Schwerverkehr gelingen solle, müssten die entsprechenden Voraussetzungen wie Lade- und Betankungsinfrastrukturen geschaffen sowie erneuerbarer Strom, Wasserstoff und Treibstoffe zur Verfügung gestellt werden.
 
artikel-avia.jpgQuelle: AGVS-Medien

Dem stimmt auch VDA-Präsidentin Müller zu: «Die EU verschärft die CO2-Grenzwerte deutlich, ohne dabei notwendige flankierende Massnahmen zu verabschieden und damit einen tatsächlich realisierbaren Hochlauf alternativer Antriebe sicherzustellen.» Für Müller ist klar, dass eine reine Verschärfung der CO2-Grenzwerte keine Speditionen und Transporteure zu einem Umstieg bewege, sondern lediglich die Nutzung von LKW und Busse mit konventionellem Antrieb verunmögliche. Müller mahnt: «In der Nutzfahrzeugbranche besteht ein hohes Kostenbewusstsein. Somit werden CO2-emissionsfreie LKW und Busse erst dann in hohen Stückzahlen in die Fuhrparks aufgenommen, wenn batterieelektrische oder mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge auf der Strasse profitabler fahren als solche mit konventionellem Motor.»
 
Martin Lundstedt, Vorsitzender des Nutzfahrzeugausschusses des Verbands der europäischen Automobilhersteller (ACEA) und CEO der Volvo Group, rechnet vor, dass für die von der Politik geforderte CO2-Reduzierung bis 2030 mehr als 400’000 emissionsfreie LKW unterwegs sein müssten und jährlich mindestens 100’000 neue emissionsfreie LKW zugelassen werden müssten. Dies bedeute aber auch, dass innerhalb von nur sieben Jahren über 50’000 öffentlich zugängliche und für LKW geeignete Ladestationen in Betrieb sein müssten, davon etwa 35’000 Hochleistungsladestationen (Megawatt-Ladesystem). Zusätzlich würden rund 700 Wasserstofftankstellen benötigt.
 
artikel-lundstedt.jpgMartin Lundstedt, Vorsitzender des Nutzfahrzeugausschusses des Verbands der europäischen Automobilhersteller. Quelle: ACEA

Besonders beunruhigt ist der ACEA jedoch über die mangelnde Koordinierung zwischen den CO2-Vorschlägen und dem erst vor wenigen Monaten veröffentlichten Euro-7-Vorschlag für schwere Nutzfahrzeuge. «Während andere Weltregionen Anreize für den Weg zur emissionsfreien Mobilität schaffen, versucht Europa, den Weg dorthin zu regulieren – und selbst das geschieht nicht auf harmonisierte Weise», erklärte Martin Lundstedt. Die aktuellen Entscheidungen aus Strassburg werden sicherlich weitreichende Konsequenzen und auch für die Schweiz Relevanz haben – da die Hersteller für die kleine Schweiz keine separaten Lösungen zur Verfügung stellen werden.
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